BISMILLAH-IR-RAHMAN-IR-RAHIM
Die zwei Seiten von Geld und Besitz
Ibn Qudama:
Wisse, dass das Geld an sich nicht schlecht ist, sondern nur dann zu einem Übel wird, wenn der Mensch falsch damit umgeht.
Falsch damit umgehen kann Folgendes sein:
- Übermäßige Gier nach Geld haben
- Es von einer Quelle bekommen, die nicht erlaubt ist (wie z. B. durch Diebstahl, Betrug usw.)
- Das Geld zurückhalten, wo man die Pflicht hätte, es auszugeben (z. B. keine Zakat zahlen, wenn man zakatpflichtig ist)
- Das Geld ausgeben für etwas, wo man es nicht ausgeben darf oder soll (z. B. Verschwendung betreiben oder verbotene Dinge damit finanzieren)
- Mit seinem Geld und Besitz angeben und protzen.
Deswegen sagt Allah:
Wahrlich, euer Besitz und eure Kinder sind eine Prüfung. [8:28]
Und im Hadith:
عَنْ ابْنِ كَعْبِ بْنِ مَالِكٍ الْأَنْصَارِيِّ عَنْ أَبِيهِ قَالَ: قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ: مَا ذِئْبَانِ جَائِعَانِ أُرْسِلَا فِي غَنَمٍ بِأَفْسَدَ لَهَا مِنْ حِرْصِ الْمَرْءِ عَلَى الْمَالِ وَالشَّرَفِ لِدِينِهِ
قَالَ أَبُو عِيسَى هَذَا حَدِيثٌ حَسَنٌ صَحِيحٌ
Kaab ibn Malik berichtet, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „Zwei hungrige Wölfe, die auf Schafe losgelassen werden, sind für diese nicht schädlicher als die Gier eines Mannes nach Geld und Ansehen für seine Religiösität (arab. din)“.
(Tirmidhi 2376/hasan sahih / Albani und Al-Basjuni erklärten den Hadith für sahih)
Ibn Qudama:
Die Muslime der ersten Generationen (arab. salaf) fürchteten sich vor der Verführung durch Besitz und Geld.
Yahya ibn Mu’adh sagte:
„Der Dirham (Silbertaler) ist ein Skorpion, wenn du es nicht gut schaffst, ihn zu beaufsichtigen, dann nimm ihn nicht. Denn wenn er dich sticht, so wird sein Gift dich töten.“ Er wurde gefragt: „Und was bedeutet es, dass man ihn beaufsichtigt?“ Er antwortete: „Dass du ihn (d. h. den Silbertaler) nur auf erlaubte Weise erwirbst und ihn im Rechten ausgibst.“
Vorteile von Geld und Besitz
Ibn Qudama:
Sufjan ath-Thauri (der in der Anfangszeit des Islams lebte) sagte: „Geld ist die Waffe der Muslime in unserer Zeit“.
In heutiger Zeit gilt das viel mehr.
Abu Ishaq as-Sabi’i: „Sie (d. h. die früheren Rechtschaffenen) sahen den Wohlstand als Hilfe für die Ausübung der Religion.“
Im Einzelnen ist Folgendes der Nutzen von Geld und Besitz:
Fürs Diesseits:
Dies ist den Menschen gut bekannt – aus diesem Grund streiten sie sich auch um diese Güter.
Fürs Jenseits:
Wenn man selbst etwas besitzt, dann kann man es entweder für sich selbst ausgeben oder anderen geben. In beiden Bereichen gibt es Vorteile fürs eigene Jenseits:
- Für sich selbst ausgeben: Die notwendigen Güter des Lebens wie Essen, Kleidung usw. Wenn man diese Güter nicht besitzt, dann hat man nicht den Kopf frei für gottesdienstliche Handlungen und den Einsatz für die Einladung zum Islam.
- Für andere ausgeben:
a) Sadaqa bzw. Spenden für Bedürftige
b) Geld für Freundschaft und Geschenke in Maßen ausgeben, um eine schöne Beziehung mit seinen Mitmenschen aufzubauen
c) Jemanden beschäftigen und dafür bezahlen, um selbst mehr Zeit zu haben für gottesdienstliche Handlungen und die Einladung zum Islam. Ibn Qudama: „Alles, was du an (irdischer) Arbeit abgeben kannst und dadurch deine Angelegenheit erledigt wird, es aber trotzdem selber machst, ist Selbstbetrug.“
Hierzu zählt beispielsweise, dass man einen Maler bezahlt, der einem die Wohnung streicht – und der es viel schneller und effektiver machen kann als man selbst -, wenn man ausziehen will.
In der Gesellschaft muss es natürlich ein Gleichgewicht geben zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Auftraggebern und Projektnehmern.
Nachteile von Geld und Besitz
Folgendes sind die Nachteile für die Religion:
- Man ist verführt, Sünden zu tun, die einem erst ermöglicht werden, wenn man das nötige Geld für das Begehen der entsprechenden Sünde hat.
- Man gewöhnt sich an ein weiches, verwöhntes Leben. Dies ist nachteilhaft, denn es kann sein, dass man irgendwann einmal Pflichten des Islams ausführen muss unter rauheren Bedingungen, wozu man dann nur schwer in der Lage ist.
- Das Geld lenkt einen vom Gedenken an Allah ab – ein Problem, was fast jeder hat: Wenn man eine schön eingerichtete Wohnung mit vielen Gegenständen hat, ist man besorgt darum, diese Instand zuhalten. Jemand, der Land besitzt, hat Angst, dass andere sein Bodenrecht verletzten. Einer, der eine Firma zusammen mit einem Teilhaber hat, ist möglicherweise besorgt, dass der andere ihn betrügt oder verhältnismäßig zu wenig arbeitet usw.
Nur wer gerade soviel Geld hat, dass er für den nächsten Tag über die Runden kommt, hat nicht diese Probleme. Allerdings hat er dann wieder die Sorge – vor allem, wenn man eine Familie zu ernähren hat -, wie er sie in der Zeit danach über die Runden bringt und ist aufgrund dessen auch vom Gedenken an Allah abgelenkt. Deshalb ist es gut, wenn man ein Mittelmaß in der finanziellen Vorsorge hat.
و حَدَّثَنَا أَبُو بَكْرِ بْنُ أَبِي شَيْبَةَ وَعَمْرٌو النَّاقِدُ وَزُهَيْرُ بْنُ حَرْبٍ وَأَبُو كُرَيْبٍ قَالُوا حَدَّثَنَا وَكِيعٌ حَدَّثَنَا الْأَعْمَشُ عَنْ عُمَارَةَ بْنِ الْقَعْقَاعِ عَنْ أَبِي زُرْعَةَ عَنْ أَبِي هُرَيْرَةَ قَالَ:
قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ: اللَّهُمَّ اجْعَلْ رِزْقَ آلِ مُحَمَّدٍ قُوتًا
وَفِي رِوَايَةِ عَمْرٍو اللَّهُمَّ ارْزُقْ و حَدَّثَنَاه أَبُو سَعِيدٍ الْأَشَجُّ حَدَّثَنَا أَبُو أُسَامَةَ قَالَ سَمِعْتُ الْأَعْمَشَ ذَكَرَ عَنْ عُمَارَةَ بْنِ الْقَعْقَاعِ بِهَذَا الْإِسْنَادِ وَقَالَ كَفَافًا
Abu Huraira (r.) berichtet, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „O Allah, mache die Versorgung der Familie von Muhammad gerade so, dass es ausreichend ist.(1).“
(Muslim 1055)
Das Übel der Geldgier und die Vorzüglichkeit von Begnügsamkeit (2)
Erwünscht ist es, mit dem zufrieden zu sein, was Allah einem gegeben hat und nicht nach mehr zu gieren. Vor allem soll man nicht das begehren, was sich in den Händen der Menschen befindet. Wenn man diese beiden Dinge beachtet, ist Allah mit einem zufrieden und man ist unabhängig und erniedrigt sich nicht vor anderen Menschen.
حَدَّثَنَا أَبُو بَكْرِ بْنُ أَبِي شَيْبَةَ حَدَّثَنَا أَبُو عَبْدِ الرَّحْمَنِ الْمُقْرِئُ عَنْ سَعِيدِ بْنِ أَبِي أَيُّوبَ حَدَّثَنِي شُرَحْبِيلُ وَهُوَ ابْنُ شَرِيكٍ عَنْ أَبِي عَبْدِ الرَّحْمَنِ الْحُبُلِيِّ عَنْ عَبْدِ اللَّهِ بْنِ عَمْرِو بْنِ الْعَاصِ
أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ قَالَ: قَدْ أَفْلَحَ مَنْ أَسْلَمَ وَرُزِقَ كَفَافًا وَقَنَّعَهُ اللَّهُ بِمَا آتَاهُ
Abdullah ibn Amr ibn al-As berichtete, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „Derjenige ist erfolgreich, der gottergeben ist und dem eine gerade ausreichende Versorgung gegeben wurde – weder zu wenig noch über den Bedarf hinaus – und den Allah mit dem zufrieden gemacht hat, was Er ihm gegeben hat“. (3)
Abu Hazem sagte:
„Wer die drei folgenden Dinge besitzt, dessen Verstand ist vollkommen: Wer sich selbst kennt, seine Zunge im Zaum hält und mit dem zufrieden ist, was Allah ihm gegeben hat“.
(Ibn Qudama, S.239)
حدثنا أبو العباس محمد بن يعقوب ، ثنا الربيع بن سليمان ، ثنا عبد الله بن وهب ، أنبأ سليمان بن بلال ، حدثني ربيعة بن أبي عبد الرحمن ، عن عبد الملك بن سعيد بن سويد ، عن أبي حميد الساعدي ، أن رسول الله صلى الله عليه وسلم قال: «أجملوا في طلب الدنيا فإن كلا ميسر لما كتب له منها»
Abu Hamid as-Sā’idi berichtete, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) sagte: „Strebt auf schöne Weise nach der irdischen Versorgung. Denn jeder bekommt nur das vom Diesseits, was Allah ihm davon bereits vorherbestimmt hat“.
(Al-Hakim im Mustadrak / Al-Hakim und Dhahabi sagen sahih)
D. h. also, dass die Versorgung ohnehin fest steht. Es geht nur darum, diese auf schöne Art und Weise zu bekommen. Man arbeitet dafür auf erlaubte Weise, weil Allah dies zur Pflicht gemacht hat. Würde man nichts dafür tun und betteln – obwohl man es überhaupt nicht nötig hat – würde man auch genau die Versorgung bekommen, die Allah einem bestimmt hat. Es wäre eben nur auf unerlaubte Weise. Aus diesem Grund bringt es überhaupt nichts, wenn man beim Erwerb des Lebensunterhalts versucht, zu betrügen oder ähnliches, um schneller an etwas zu kommen bzw. mehr zu bekommen. Es kann sein, dass man dadurch viel Geld bekommt – Allah macht es aber dann so, dass auf der anderen Seite einem wieder viel Geld verloren geht, bis schließlich die Versorgung erreicht ist, die Er dem entsprechenden Menschen vorherbestimmt hat. Diese Versorgung hätte er aber auch auf erlaubte Weise bekommen. Das einzige, was also mehr geworden ist durch seinen Versuch, durch verbotene Mittel zu mehr zu kommen, sind seine Sünden. Und Allah weiß es am besten.
Bezüglich dem, was in den Händen der Menschen ist, sagt der Prophet (s.a.s.) Folgendes:
حَدَّثَنَا مُحَمَّدُ بْنُ زِيَادٍ حَدَّثَنَا الْفُضَيْلُ بْنُ سُلَيْمَانَ حَدَّثَنَا عَبْدُ اللَّهِ بْنُ عُثْمَانَ بْنِ خُثَيْمٍ حَدَّثَنِي عُثْمَانُ بْنُ جُبَيْرٍ مَوْلَى أَبِي أَيُّوبَ عَنْ أَبِي أَيُّوبَ قَالَ
جَاءَ رَجُلٌ إِلَى النَّبِيِّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ فَقَالَ يَا رَسُولَ اللَّهِ عَلِّمْنِي وَأَوْجِزْ قَالَ إِذَا قُمْتَ فِي صَلَاتِكَ فَصَلِّ صَلَاةَ مُوَدِّعٍ وَلَا تَكَلَّمْ بِكَلَامٍ تَعْتَذِرُ مِنْهُ وَأَجْمِعْ الْيَأْسَ عَمَّا فِي أَيْدِي النَّاسِ
Abu Ajjub berichtete: „Ein Mann kam zum Propheten (s.a.s.) und sagte: „O Gesandter Allahs, lehre mich und fasse dich dabei kurz. Da sagte er: „Wenn du in deinem Gebet stehst, dann bete so, als ob du (das Diesseits) verabschiedest (d. h. als ob du gleich sterben würdest). Und rede nicht etwas, wofür du dich entschuldigen musst. Und gib völlig die Hoffnung auf, etwas von dem zu bekommen, was in den Händen der Menschen ist“.“(4)
Wenn man nichts von den Menschen haben will, ist man unabhängig und nicht bestechlich.
Außerdem lieben einen auch noch dazu die Menschen:
حَدَّثَنَا أَبُو عُبَيْدَةَ بْنُ أَبِي السَّفَرِ حَدَّثَنَا شِهَابُ بْنُ عَبَّادٍ حَدَّثَنَا خَالِدُ بْنُ عَمْرٍو الْقُرَشِيُّ عَنْ سُفْيَانَ الثَّوْرِيِّ عَنْ أَبِي حَازِمٍ عَنْ سَهْلِ بْنِ سَعْدٍ السَّاعِدِيِّ قَالَ
أَتَى النَّبِيَّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ رَجُلٌ فَقَالَ يَا رَسُولَ اللَّهِ دُلَّنِي عَلَى عَمَلٍ إِذَا أَنَا عَمِلْتُهُ أَحَبَّنِي اللَّهُ وَأَحَبَّنِي النَّاسُ فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ ازْهَدْ فِي الدُّنْيَا يُحِبَّكَ اللَّهُ وَازْهَدْ فِيمَا فِي أَيْدِي النَّاسِ يُحِبُّوكَ
Sahl bin Saad as-Sā’idi berichtete: „Ein Mann kam zum Propheten (s.a.s.) und sagte ihm: „Bring mir eine Tat bei, für die mich Allah liebt und für die mich die Menschen lieben“. Da sagte der Gesandte Allahs (s.a.s.): „Sei asketisch gegenüber dem irdischen Leben, dann liebt dich Allah. Und sei asketisch gegenüber dem, was in den Händen der Menschen ist, dann werden sie dich lieben“.“
(Ibn Madscha 4102/sahih)
Wie man die Krankheit der Gier nach Geld und materiellen Gütern heilt und begnügsam wird (5)
Ibn Qudama:
Das Heilmittel für diese Krankheit hat drei Pfeiler: Erkenntnis, Geduld, konkrete Handlungsmaßnamen.
Im Einzelnen sind es folgende fünf Dinge, die man angehen kann:
- Bescheiden leben. Die Ausgaben auf das Nötige beschränken.
- Wenn man momentan genug an Versorgung hat, keine Angst vor der Zukunft haben, denn man bekommt alles, was Allah einem bestimmt hat in ganzem Maße (siehe obigen Hadith von al-Hakim).
- Sich bewusst machen, dass man stark, unabhängig und unbestechlich ist, wenn man nicht nach den irdischen Gütern giert.
- Den Luxus vieler Nichtmuslime und von verschwenderischen Muslimen anschauen und dies mit der Lebensweise der Propheten und Rechtschaffenen vergleichen. Wenn man sich immer die Biographien der Propheten und Rechtschaffenen in Erinnerung ruft, wird es leicht, von einem luxuriösen, auf das Diesseits gerichtete Leben Abstand zu nehmen. Und die Liebe zu diesen irdischen Gütern wird kleiner.
- Sich mit dem vergleichen, der besser in der Praktizierung des Islams ist und sich mit dem messen, der weniger vom irdischen Leben bekommen hat. Dann wird man einerseits versuchen besser zu werden und andererseits wird man sich bewusst, dass man eigentlich sehr viel von Allah bekommen hat, was einen zufriedener macht mit dem eigenen materiellen Zustand.
Grundsätzlich muss man geduldig sein und davon ausgehen, dass man nicht mehr viel Zeit im irdischen Leben hat. Dann wird man seine noch verbleibende Zeit eher für gute Taten nutzen als für das Streben nach Dingen, die ohnehin in Kürze vorbei sind.
Der Geiz und dessen Übelkeit
أَخْبَرَنَا إِسْحَقُ بْنُ إِبْرَاهِيمَ قَالَ حَدَّثَنَا جَرِيرٌ عَنْ سُهَيْلٍ عَنْ صَفْوَانَ بْنِ أَبِي يَزِيدَ عَنْ الْقَعْقَاعِ بْنِ اللَّجْلَاجِ عَنْ أَبِي هُرَيْرَةَ قَالَ:
قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ: لَا يَجْتَمِعُ غُبَارٌ فِي سَبِيلِ اللَّهِ وَدُخَانُ جَهَنَّمَ فِي جَوْفِ عَبْدٍ أَبَدًا وَلَا يَجْتَمِعُ الشُّحُّ وَالْإِيمَانُ فِي قَلْبِ عَبْدٍ أَبَدًا
Abu Huraira berichtet, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „…und niemals sind gleichzeitig Habsucht und Iman im Herzen eines Menschen (wörtl. Diener (Gottes))“.
(Nasa’i 3110/ sahih / Al-Hakim im Mustadrak/Al-Hakim & Dhahabi sagen sahih)
Die Vorzüglichkeit von Freigiebigkeit und dessen, dass man andere Menschen sich selbst vorzieht (الايثار)
Ibn Qudama:
Wisse, dass Geiz und Freigiebigkeit verschiedene Stufen hat. Die höchste Stufe der Freigiebigkeit ist, dass man jemanden anderen sich selbst vorzieht (arab. īthār).
Allah, der Erhabene, hat gesagt:
und sie hegen in sich kein Verlangen nach dem, was ihnen gegeben wurde, sondern sehen (die Flüchtlinge gern) vor ihnen selbst bevorzugt, auch wenn sie selbst in Dürftigkeit leben. Und wer vor seiner eigenen Habsucht bewahrt ist – das sind die Erfolgreichen. [59:9]
Ein Beispiel für solch eine Freigiebigkeit ist die Begebenheit von Ikrima und seinen Gefährten bei der Schlacht von Yarmuk, als sie alle drei im Sterben lagen und jeder von ihnen den Wasserträger anwies, dem anderen vorher zu trinken zu geben, bis sie alle drei zu Allah zurückkehrten, ohne getrunken zu haben.
Wann genau ist man geizig und wann freigiebig?
Ibn Qudama sagt, dass man genau dann nicht geizig ist, wenn man 1. die pflichtmäßigen Abgaben tätigt und 2. dieses Geben im Guten und mit offenem Herzen geschieht.
Zu 1.: Die pflichtmäßigen Abgaben sind zum einen die Zakat und zum anderen die Versorgung der eigenen Familie, für deren Unterhalt man aufkommen muss, d. h. Frau, Kinder und evtl. Eltern.
Zu 2.: Das Geben im Guten und mit offenem Herzen bedeutet, dass man es unterlässt, diejenigen zu beengen, denen man etwas gibt. Dies kann bei verschiedenen Menschen unterschiedlich sein. Von einem Reichen z. B. ist etwas anderes zu erwarten als von einem, der wenig oder fast kein Geld hat. Wenn ein Reicher seiner Familie jegliche Kleinigkeiten vorenthält, die über die absolute Grundversorgung wie Brot usw. hinausgeht, dann kann man ihn als geizig bezeichnen. Ein Armer hingegen, der ohnehin fast nichts hat und seiner Familie trotzdem nach Möglichkeit alles gibt und auch die Zakat, wenn er zakatpflichtig ist, nach bestem Gewissen gibt, und wenn dies alles auch nur etwas sehr Bescheidenes ist, ist nicht als geizig zu bezeichnen, sondern als freigiebig.
Beim Spenden für wohltätige Zwecke wie z. B. die Unterstütung einer Hilfsorganisation oder dem Bau einer Moschee gilt Folgendes:
Eine Spende von z. B. 10 EUR, die ein Student gibt, der fast nichts hat, entspricht vor Allah einer Spende von z. B. 1000 EUR eines wohlhabenden Mannes.
D. h. Geiz und Freigiebigkeit sind innere Eigenschaften, die man an den äußeren Abgaben immer nur verhältnismäßig entsprechend der Umstände messen kann.
Quelle: تزكية – Tazkija / Charakterreinigung – Wie man ein guter Mensch wird
Diese Buch basiert zumeist auf dem klassischen Werk Mukhtasar Minhādsch al-Qāsidīn von Ibn Qudama al-Maqdisi (651-689 n. H.).
Dieses ist eine Kurzfassung des Werkes Minhādsch al-Qāsidīn (Der Weg der Strebenden) von Ibn al-Dschauzi (510-594 n. H.), welches widerum eine Redigierung des Werks إحياء علوم الدين / Ihja’ Ulum ad-Din (Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften) von Abu Hamid al-Ghazali (450-505 n. H.) ist.