Der Geschlechtstrieb

BISMILLAH-IR-RAHMAN-IR-RAHIM


Der Sinn des Geschlechtstriebs

Der Sinn des Geschlechtstriebs ist,

  1. dass sich der Mensch fortpflanzt und
  2. dass der Mensch die Freuden des Jenseits sich vorstellen kann anhand der Freude, die man beim Geschlechtsakt verspürt. Denn würde der Mensch keine Freuden im Diesseits haben, könnte er sich die Freuden des Jenseits gar nicht vorstellen und hätte auch kein großes Begehren, gute Taten zu tun, um diese Freuden des Jenseits zu erlangen.

Kontrollmaßnahmen gegen das ungezügelte Ausleben des Geschlechtstriebs

Jedoch führt unkontrolliertes Verhalten in diesem Bereich zu großen Übeln im persönlichen und im gesellschaftlichen Bereich.

Der Geschlechtstrieb ist sehr groß:
Der Prophet (s.a.s.) hat gesagt: „Ich habe bei den Menschen nach mir (d. h. nachdem meine Botschaft ausgerichtet wurde) keine Verführung hinterlassen, die schädlicher für die Männer wäre, als die Frauen.“
(Buchari)

Und dementsprechend sieht der Islam auch strenge Vorsichtsmaßnahmen vor, um diesen Trieb zu kontrollieren:
Ibn Abbas (r.) berichtete: Ich hörte den Gesandten Allahs (s.a.s.), wie er in einer Rede sagte: „Ein Mann darf nicht mit einer (fremden) Frau ohne einen mahram von ihr alleine zusammen sein (arab. khulwa). Und eine Frau darf nicht ohne einen mahram reisen.“ Da stand ein Mann auf und sagte: „O Gesandter Allahs, meine Frau ist zur Hadsch aufgebrochen, und ich wurde eingeteilt für die militärische Operation Soundso. Da sagte der Gesandte Allahs (s.a.s.): „Geh und mache die Hadsch mit deiner Frau.“
(Buchari/Muslim 1341)

Worterläuterungen:
einer (fremden) Frau – einer Frau, für die er nicht mahram ist
einen mahram von ihr – mahram für eine Frau sind: der Ehemann, der Schwiegervater, der Großvater des Ehemannes und solche männliche Verwandte, die sie prinzipiell nicht heiraten kann wie Vater, Großvater, Sohn, Bruder, Onkel, Neffe, …

Erläuterungen und Bestimmungen, die aus dem Hadith abzuleiten sind:(1)

  1. Der Hadith weist darauf hin, dass es verboten ist, alleine mit einer fremden Frau zu sein (arab. khulwa). Darüber sind die Gelehrten übereingekommen (arab. idschma‘). In einem anderen Hadith heißt es, dass in solch einem Fall „der Teufel der Dritte ist, der mit ihnen anwesend ist“.
  2. Ist es auch möglich, dass ein Nicht-mahram stattdessen anwesend sein muss, damit es keine verbotene khulwa mehr ist?

As-San’ani:
„Es scheint offensichtlich, dass es auch geht, da dadurch die Verführung eingestellt wird, die da ist, wenn nur ein Mann und ein Frau alleine zusammen sind. Al-Qaffal sagt jedoch, dass es unbedingt ein mahram von ihr sein muss. Er beruft sich in seiner Ansicht auf diesen Hadith.“

Negative Folgen der unkontrollierten Ausübung des Geschlechtstriebs

Auf persönlicher Ebene

  1. Wenn man sich zuviel mit dem eigenen Ehepartner vergnügt, ist man abgehalten von guten Taten. Es tritt das gleiche Phänomen ein, wie wenn man zu viel von erlaubten Dingen isst.
  2. Es kann natürlich auch zu verbotenen Dingen in diesem Bereich kommen: der Unzucht (zina), eine der großen Sünden, welche Hass zwischen den Menschen sät und die Gesellschaft kaputt macht.
  3. Es kann dazu kommen, dass das Verhältnis zu einem anderen Menschen zur Leidenschaft, Sucht und Abhängigkeit wird. Wenn man einmal soweit gekommen ist, dann hat man sich kaum mehr unter Kontrolle und man begeht verbotene Dinge, um diese Leidenschaft (arab. ‘ischq) zu erfüllen.

Auf gesellschaftlicher Ebene
Eines der größten Folgeprobleme auf gesellschaftlicher Ebene: Wenn die Leute sich von Jugend auf an eine ungezügelte Auslebung des Geschlechtstriebs gewöhnen, wie es zurzeit hier im Westen ist, dann geht das im Erwachsenenalter in der Regel so weiter. Die Folge ist, dass man sich nicht binden will, es gibt keine Familie, fast keinen Nachwuchs, die Gesellschaft altert, die vielen alten Menschen können nicht mehr versorgt werden. Aktuell bahnt sich hier im Westen dieses Problem an…
Eine Stufe zuvor wurden zwar noch Ehen eingegangen, Unzucht während der Ehe ist aber die Regel. Die Folge ist Scheidung, die Kinder wachsen nicht mehr in einer behüteten Familie auf und sind oft quasi auf der Straße.
Natürlich sind für diese genannten gesellschaftlichen Übel, die man heute hier im Westen beobachten kann, auch noch andere Faktoren – wie Materialismus und Egoismus – verantwortlich.

Leidenschaft, Sucht und Abhängigkeit

Am schlimmsten ist es, wenn ein Trieb zur Leidenschaft und Abhängigkeit wird. Dann hat man sich nicht mehr in der Hand und man strebt nicht mehr danach, Gottes Wohlgefallen zu erlangen, sondern in erster Linie dieser Leidenschaft nachzugehen, weil eine Nichterfüllung eine Qual bedeutet.
Eine solche Leidenschaft kann sich z. B. als übermäßiges Verliebtsein in eine Person äußern, die nicht der eigene Ehepartner ist, als Spielsucht oder als Drogenabhängigkeit.

Die Liebe und das Verliebtsein zwischen Ehepartnern
Allah hat die Liebe zwischen die Ehepartner gelegt, um das Band der Ehe zusammenzuhalten.
Ist jedoch eine solch geartete Liebe bzw. Verliebtsein zwischen zwei Menschen vorhanden, die nicht heiraten können, dann bedeutet das nur Qual und ein Übel, weil diese gefühlsmäßige Bindung keine positive Aufgabe hat und daraus größte Sünden entstehen können.
Aus diesem Grund ist es wichtig, die islamischen Regeln bei der Ehepartnersuche einzuhalten.

Die richtige Vorgehensweise bei der Suche des Ehepartners
Man sollte seinen Ehepartner vor allem aus islamischen Gründen heiraten, damit dieser einem hilft, rechtschaffen zu sein und man den Weg zum Paradies gemeinsam beschreitet. D. h. man schaut bzw. noch besser – findet man über eine dritte Person heraus -, ob die islamischen Kriterien stimmen. Wenn diese stimmen, geht man hin und schaut sich die Person an, ob sie einem sympathisch ist.

Der Gesandte Allahs (Allahs Segen und Heil seien mit ihm) hat gesagt: „Gewöhnlich werden die Frauen aus viererlei Gründen geheiratet: Wegen ihres Vermögens, ihrer Abstammung, ihrer Schönheit und ihrer Frömmigkeit im Islam. Du aber sollst dich bemühen, eine fromme muslimische Frau zu bekommen. Dann hast du gewonnen.“

(Buchari)


Abu Huraira berichtet: Ich war beim Propheten (s.a.s.). Da kam ein Mann und berichtete ihm, dass er eine Frau von den Ansar geheiratet hat. Da fragte ihn der Gesandte Allahs (s.a.s.): „Hast du sie dir angesehen?“ Er sagte: „Nein.“ Da sagte der Prophet (s.a.s.): „Geh hin und schau sie dir an, denn es ist etwas(2) mit den Augen der Frauen von den Ansar.“ (D. h. vielleicht ist dir ihr Aussehen absolut unsympathisch).

(Muslim 1424)

Die hier im Westen übliche „Liebesheirat“ gibt es im Islam auch, ist aber eigentlich nur eine „Unfalllösung“, wenn durch zu engen und somit zumeist unislamischen Kontakt zwischen einem Mann und einer Frau Verliebtheitsgefühle aufgekommen sind, die einer schweren Krankheit ähneln, und die nur sehr schwer wegzubekommen sind. Deshalb hat der Gesandte Allahs (s.a.s.) auch gesagt:


„Es wurde noch nichts besseres für Leute, die sich lieben, gesehen, als die Heirat.“

(Ibn Madscha 1847/sahih)

Eigentlich hätte es aber gar nicht dazu kommen dürfen – denn was ist, wenn die Heirat nicht stattfindet?!
Die Liebe zwischen den Eheleuten kommt in der Regel nach der Heirat sowieso, denn Allah hat gesagt:

„Und unter Seinen Zeichen ist dies, dass Er Gattinnen für euch schuf aus euch selber, auf dass ihr Frieden in ihnen fändet, und Er hat Liebe und Zärtlichkeit zwischen euch gesetzt. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein Volk, das nachdenkt.“
[30:21]

Geht man umgekehrt vor und meint, dass man zuerst verliebt sein muss, dann läuft man Gefahr, eine völlig unislamische Person zu heiraten. Denn das Phänomen des Verliebtseins hat nichts mit der Güte der Person zu tun, in die man verliebt ist. Im Gegenteil, man kann sogar in eine Hure verliebt sein:
Einer der Prophetengefährten sagte zum Propheten (s.a.s.), dass seine Frau keinen fremden Mann von sich abhält. Da wies der Prophet (s.a.s.) ihn an, sie zu scheiden, worauf der Prophetengefährte sagte, dass er sie liebe, woraufhin ihm der Prophet (s.a.s.) gestattete, weiterhin mit ihr verheiratet zu sein. Dies, damit er nicht womöglich selbst noch in Sünde verfällt, wenn es nicht mehr seine rechtmäßige Ehefrau ist.
Im 5. Kapitel im Abschnitt über Ehe und Familie wird ausführlicher auf diese Thematik eingegangen.

Wie schützt man sich vor Leidenschaft, Sucht und Abhängigkeit?
Eine solche Sucht kann meistens dann entstehen, wenn man zu nahen, unislamischen bzw. zu häufigen Kontakt zum anderen Geschlecht hat.
Entsprechend schützt man sich, indem man solch gearteten Kontakt vermeidet.
Wenn es um Genussgüter geht, dann muss man ebenfalls vermeiden, diese zu häufig zu genießen, damit nicht dieser Genuss anstatt einer kurzzeitigen erwünschten Erholung nun zur Sucht wird.
Von Dingen, die bekanntermaßen zur Sucht führen, wie z. B. Spielsucht, auch wenn es sich dabei nicht ums Spiel um Geld handelt, hat der Muslim unbedingt Abstand zu halten.
Heutzutage kann Benutzung von Medien, wie z. B. Internet, zur Sucht werden. Dementsprechend muss man rechtzeitig aufpassen und sich selbst kontrollieren.

Allgemein kann man Folgendes sagen:
In einem Anfangsstadium ist es einfach, Abstand von einem verbotenen Suchtmittel zu halten, wenn es einmal zur Sucht und Abhängigkeit gekommen ist, ist es nur noch sehr schwer möglich, davon weg zu kommen.

Fußnoten:
(1) Subul as-Salam, San´ani, Band II, S. 262, Hadith Nr. 672
(2) Nawawi sagt in der Erläuterung zu diesem Hadith: Es wird gesagt, dass mit „etwas“ gemeint ist, dass die Augen der Ansar-Frauen klein sind, jedoch existiert auch die Ansicht, dass damit gemeint ist, dass damit gemeint ist, dass die Augen der Ansar-Frauen etwas blau sind.



Quelle: تزكية – Tazkija / Charakterreinigung – Wie man ein guter Mensch wird
Diese Buch basiert zumeist auf dem klassischen Werk Mukhtasar Minhādsch al-Qāsidīn von Ibn Qudama al-Maqdisi (651-689 n. H.).
Dieses ist eine Kurzfassung des Werkes Minhādsch al-Qāsidīn (Der Weg der Strebenden) von Ibn al-Dschauzi (510-594 n. H.), welches widerum eine Redigierung des Werks إحياء علوم الدين / Ihja’ Ulum ad-Din (Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften) von Abu Hamid al-Ghazali (450-505 n. H.) ist.