BISMILLAH-IR-RAHMAN-IR-RAHIM
Abdullah ibn Umar (r.) berichtet, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „Das Gebet in der Gemeinschaft ist siebenundzwanzigmal besser (wörtl.: ist 27mal vorzüglicher) als wenn man alleine betet.“
Dies berichteten Buchari und Muslim.
Bestimmungen, die aus dem Hadith abzuleiten sind:
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Der Hadith zeigt auf, dass es vorzüglicher ist, das Pflichtgebet in der Gemeinschaft zu verrichten, als es alleine zu verrichten – dies und die folgenden Ausführungen gelten aber nur für Männer.1 Bezüglich des Pflichtgebetes in der Gemeinschaft (für Männer) gibt es unter den Rechtsgelehrten drei verschiedene Ansichten:
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Dass es (für Männer) eine sunna mu’akkada ist (d.h. eine Tat, die sehr erwünscht, aber nicht Pflicht ist, da der Propheten (s.a.s.) sie ständig als freiwillige Tat praktiziert hat). Dies ist die Ansicht der malikitischen Rechtsschule und auch in einer Überlieferung die Ansicht der hanafitischen Rechtschule.
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Dass es eine fard kifaja2 ist. Dies ist die gesichert überlieferte Ansicht der schafiitischen Rechtsschule.
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Dass es (für Männer) ein fard ‚ain3 ist. Diese Ansicht vertritt die hanbalitische Rechtsschule und in einer Überlieferung die hanafitische Rechtsschule. Die Vertreter dieser Ansicht sagen: Derjenige, der das Gebet in der Gemeinschaft ohne triftigen Grund unterlässt, sündigt, wird staatlich sanktioniert und er wird vor Gericht nicht als Zeuge angenommen.
Diejenigen, die das Gebet in der Gemeinschaft als Pflicht ansehen, haben folgende Argumente für ihre Ansicht:
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Die Aussage Allahs: „Und wenn du unter ihnen bist und für sie das Gebet anführst, soll ein Teil von ihnen bei dir stehen…“[4:102] In diesem Vers befiehlt Allah das Gemeinschaftsgebet in einer Situation, wo man im Krieg Angst hat, vom Feind überrascht zu werden4. In normalen Friedenszeiten ist es dann erst recht eine Pflicht.
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Den folgenden Hadith: Abu Huraira (r.) berichtete, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat:
„Bei Dem, in Dessen Hand meine Seele ist, ich hatte schon vor, zu befehlen, dass man Brennholz bringe und dies zum Verbrennen bereit gemacht wird, und dann zu befehlen, dass zum Gebet gerufen werde, und dann, wenn der Gebetsruf (arab. adhan) ergangen ist, dass ich einem Mann befehle, das Gemeinschaftsgebet zu leiten, und ich dann zu denjenigen Männern gehe, die nicht zum Gemeinschaftsgebet kamen und ihnen ihre Häuser anzünde. Bei Dem, in Dessen Hand meine Seele ist, wenn einer von ihnen wüsste, dass er einen fetten, mit Fleisch bedeckten Knochen (arab. ‚arq) oder zwei schöne Schafsrippenfleischstücke antreffen würde, dann würde er zum Gemeinschaftsnachtgebet (arab. ‚ischa) kommen.“Dies berichteten Buchari und Muslim.
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Den folgenden weiteren Hadith:
Abu Huraira (r.) berichtete, dass ein blinder Mann – es war Ibn Umm Maktum – zum Propheten (s.a.s.) kam und sagte: „O Gesandter Allahs, ich habe niemanden, der mich zur Moschee führt.“ Da gab ihm der Prophet (s.a.s.) die Genehmigung, nicht zum Gemeinschaftsgebet kommen zu müssen. Als er, d.h. der blinde Mann, gerade wegging, rief der Prophet (s.a.s.) ihn zurück und fragte ihn: „Hörst du den Ruf zum Gebet?“, worauf er sagte: „Ja“. Der Prophet (s.a.s.) sagte darauf: „Dann folge dem Ruf (d.h. geh in die Moschee).“Dies berichtete Muslim.
Diejenigen, die das Gebet in der Gemeinschaft nicht als Pflicht ansehen, haben Gegenargumente für ihre Ansicht aufgeführt, die Asch-Schaukani in „Nail al-Autar“5 wiedergibt. Zu ihren Gegenargumenten gehört, dass im anfangs aufgeführten Hadith von Ibn Umar (r.) „Das Gebet in der Gemeinschaft ist siebenundzwanzigmal besser (wörtl. ist 27mal vorzüglicher), als wenn man allein betet“ das allein durchgeführte Gebet immerhin Vorzüglichkeit in sich birgt – wenn auch weniger (nämlich ein siebenundzwanzigster Teil) als das Gemeinschaftsgebet.
As-San’ani sagt, dass es nicht Pflicht ist, in der Gemeinschaft zu beten. Er sagt: „Im Hadith (den Ibn Umar überliefert) liegt eine starke Aufforderung, das Pflichtgebet in der Gemeinschaft zu verrichten. In ihm liegt aber auch ein Hinweis (arab. dalil) dafür, dass das Gebet in der Gemeinschaft keine Pflicht ist. Eine Anzahl von Gelehrten betrachten jedoch das Gebet in der Gemeinschaft als Pflicht…“.
1 Für Frauen ist es vorzüglicher, sowohl freiwillige rituelle Gebete, als auch das rituelle Pflichtgebet zu Hause und nicht in der Moschee zu verrichten. (Für Männer ist es lediglich im Fall der freiwilligen Gebete besser, zu Hause zu beten, wie dies aus einem Hadith hervorgeht.) Ahmad und Abu Dawud berichten: Ibn Umar berichtet, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „Hindert die Frauen nicht daran, in die Moscheen zu gehen. Ihre Häuser sind jedoch besser für sie.“ In einer anderen Überliefererung heisst es: „Wenn euch eure Frauen um Erlaubnis fragen, in der Nacht in die Moschee gehen zu dürfen, dann erlaubt es ihnen.“
Ahmad berichtet von Umm Salama, dass der Prophet (s.a.s.) gesagt hat: „Die beste Moschee für die Frau ist das Innerste ihres Hauses.“
Es wird berichtet, dass Umar (r.) und sein Sohn Ibn Umar (r.) eine Auseinandersetzung hatten, weil Ibn Umar (r.) trotz des Hadithes „Hindert die Frauen (wörtl. die Dienerinnen Allahs) nicht daran, in die Moschee zu gehen…“ seine Frau nicht in die Moschee gehen liess mit dem Argument, dass die Menschen jetzt (d.h. zum Zeitpunkt der Auseinnadersetzung) verderbter geworden sind, als sie es zur Zeit der Aussage des Propheten (s.a.s.) gewesen sind.
Az-Zuhaili erläutert die Thematik ausführlich in „Al-Fiqh al-islami wa adillatuhu“, Band 2, S.1172f. und führt die Ansichten der verschiedenen Rechtschulen hierzu auf. Zusammengefasst ist zu sagen, dass es für eine junge Frau je nach Situation nicht gestattet bzw. verpönt sein kann, in die Moschee zu gehen. Für eine alte Frau liegt der Fall wie bei Männern, d.h. sie kann ganz normal zum Gebet, sowohl am Tag, wenn man sie sieht, als auch in der Nacht, und zu Wissenserwerbssitzungen in die Moschee kommen.
2 Eine fard kifaja ist eine Tat, die Pflicht für die muslimische Gemeinschaft ist. Falls nicht ein ausreichender Teil der muslimischen Gemeinschaft dieser Pflicht nachkommt, trägt die gesamte muslimische Gemeinschaft eine Sünde. So sind z.B. das Beschäftigen mit gewissen wissenschaftlichen (und technischen) Fachbereichen, die die muslimische Gemeinschaft unbedingt braucht, um unabhängig zu sein, eine fard kifaja, ebenso die Einladung von Nichtmuslimen zum Islam.
3 Ein fard ‚ain ist eine Tat, die Pflicht für jeden einzelnen Muslim ist. So ist z.B. das fünfmalige rituelle Gebet an sich ein fard ‚ain, ebenso das Fasten im Ramadan, usw.
4 Der gesamte Vers lautet: „Und wenn du unter ihnen bist und für sie das Gebet anführst, soll ein Teil von ihnen bei dir stehen, doch sollen sie ihre Waffen aufnehmen. Und wenn sie ihre Niederwerfungen vollführt haben, so sollen sie hinter euch treten, und eine andere Abteilung, die noch nicht gebetet hat, soll vortreten und mit dir beten; doch sollen sie auf ihrer Hut sein und ihre Waffen bei sich haben. Die Kafirun sähen es gerne, dass ihr eure Waffen und euer Gepäck ausser acht ließet, so dass sie euch plötzlich überfallen könnten. Und es soll keine Sünde für euch sein, wenn ihr, falls ihr durch Regen leidet oder krank seid, eure Waffen ablegt. Seid jedoch (immer) auf eurer Hut. Wahrlich, Allah hat für die Kafirun schmähliche Strafe bereitet.“[4:102]
5 Siehe Asch-Schaukani, „Nail al-Autar“, Band 3.
(Basierend auf Subul as-Salam von Mohammad ibn Ismail As-San’ani / übersetzt von Samir Mourad – DIdI e.V.)