Der Zorn

BISMILLAH-IR-RAHMAN-IR-RAHIM

 

Das Zornigwerden

عَنْ أَبِي هُرَيْرَةَ رَضِيَ اللَّهُ عَنْهُ: أَنَّ رَجُلًا قَالَ لِلنَّبِيِّ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ أَوْصِنِي قَالَ: لَا تَغْضَبْ فَرَدَّدَ مِرَارًا قَالَ: لَا تَغْضَبْ
Abu Huraira (r.) berichtete, dass ein Mann zum Propheten (s.a.s.) sagte: „Empfehle mir etwas“, worauf er antwortete: „Zürne nicht“. Da wiederholte er (die Frage) mehrmals, worauf er anwortete: „Zürne nicht“.

(Buchari 6116)

Dies bedeutet, dass der Mann es unterlassen soll, seinem Zorn freien Lauf zu lassen. D. h. er soll sich beherrschen und seinen inneren Zorn unterdrücken.
In folgendem Koranvers und dem darauffolgenden Hadith wird diese Bedeutung explizit erwähnt:

..und diejenigen, die ihre Wut unterdrücken und die den Menschen verzeihen…
[3:134]

عَنْ أَبِي هُرَيْرَةَ رَضِيَ اللَّهُ عَنْهُ: أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ قَالَ: لَيْسَ الشَّدِيدُ بِالصُّرَعَةِ إِنَّمَا الشَّدِيدُ الَّذِي يَمْلِكُ نَفْسَهُ عِنْدَ الْغَضَبِ
Abu Huraira (r.) berichtete, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) gesagt hat: „Der Starke ist nicht derjenige, der im Ringkampf stark ist, sondern derjenige, der sich selbst beherrscht, wenn er wütend ist“.

(Buchari 6114/Muslim 2609)

Zornig werden an sich ist nicht immer schlecht. Der Muslim soll für Allah zornig werden, wenn die Gesetze Allahs gebrochen werden. Würde ein Muslim auch nicht zornig auf sich selbst werden, wenn er eine Sünde begeht, dann würde er auch nicht mit voller Energie an sich arbeiten, um seinen Charakter zu verbessern. Würde ein Muslim nicht zornig werden, wenn er sieht, wie Unterdrücker andere Menschen unterdrücken, dann würde er nicht mit voller Energie dagegen vorgehen.
Somit hat das Wütendwerden ebenso seine Aufgabe wie der Hunger und der Geschlechtstrieb. Und ebenso hat der Muslim diesen Zorn und das innerliche Kochen zu beherrschen und dahingehend zu steuern, dass es ein richtiges und nützliches Mittelmaß hat.
Wie schon erwähnt, führt das unbeherrschte starke Zürnen dazu, dass der Verstand ausgeschaltet wird, was dem Teufel Tür und Tor öffnet.

Ibn Qudama:
„Bezüglich des Zürnens gibt es unter den Menschen dreierlei Arten – die eine Art übertreibt, eine weitere Art übertreibt in die andere Richtung und die dritte Art hat das richtige Mittelmaß. Das Übertreiben ist deswegen schlecht, weil dadurch dem Menschen die Ausübung des Verstandes und der Religion abhanden kommen. Das Übertreiben in die andere Richtung ist jedoch auch zu verurteilen, weil dem Menschen in diesem Fall Energie in der Auseinandersetzung und die pflichtgemäße Eifersucht abhanden kommen“.
Das Übel in dieser Beziehung ist also, dass man zornig wird, wenn es gar nicht um die Verletzung der Gebote Allahs geht, sondern wenn man z. B. persönlich beleidigt wird usw.

Die Ursachen für das Wütendwerden und das Kurieren dieser Schwäche
Wie schon erwähnt, ist für eine Krankheit des Herzens das Heilmittel das Gegenmittel. Wir müssen also die Ursachen für das Wütendwerden im üblen Sinne analysieren und dann gegen diese Ursachen vorgehen.
Wütend für sich selbst und nicht um Allahs Willen wird man u. a. im Zusammenhang mit folgenden charakterlichen Einstellungen bzw. Handlungen:

  1. Von sich selbst voreingenommen sein
  2. Übertriebenerweise Späße machen
  3. Wetteifern in irdischen Dingen, d. h. schauen, wer besser das oder jenes kann, ohne dabei eine gottesgefällige Absicht zu haben
  4. Verrat
  5. Streben nach Geld und Ansehen

All diese Charakterzüge sind für sich selbst schon üble Handlungen und führen dazu noch zum Zornigwerden.
Das Heilmittel ist also, sich dahingehend anzustrengen, die Dinge zu unterlassen. Dann hat man sich einerseits von diesen Krankheiten befreit und andererseits viele der Ursachen abgeschnitten, die dazu führen können, dass man zornig im üblen Sinne werden kann.

Was macht man, wenn man fühlt, dass die Wut in einem hochkommt?
Man kann mehrere Dinge tun, um seinen Zorn zu sänftigen. U. a. folgende:

1. An Koranverse denken, die dazu auffordern, seinem Zorn nicht freien Lauf zu lassen sowie an Berichte über den Propheten (s.a.s.) und Rechtschaffene denken, wie sanftmütig sie waren und ihrem Zorn nicht freien Lauf ließen:
Abdullah ibn Abbas (r.) berichtete: „´Ujaina ibn Hisn ibn Hudhaifa ibn Badr reiste an und wohnte bei seinem Neffen (wörtl. Sohn seines Bruders), al-Hurr ibn Qais ibn Hisn. Dieser gehörte zu den Leuten, die (der Kalif) Umar um sich (zur Beratung) scharte – die Koranrezitatoren gehöten zu Umars Beratungsrunde, egal ob sie Männer mittleren Alters oderJugendliche waren. Da sagte ´Ujaina zu seinem Neffen: „Hast du vielleicht Beziehungen zu diesem Befehlshaber und kannst für mich um eine Audienz bei ihm bitten?“, worauf er sagte: „Ich werde für dich um ein Treffen bitten“. Daraufhin bat er für ´Ujaina um Einlass. Als dieser eintrat, sagte er: „O Ibn al-Khattab, bei Allah, du gibst uns nicht auf gute Weise unsere (finanziellen) Rechte und richtest nicht gerecht zwischen uns“. Da wurde Umar zornig, bis er ihn schon fast schlagen wollte. Da sagte al-Hurr zu ihm: „O Befehlshaber der Mu’minun (d. h. o Kalif), Allah, der Erhabene, hat zu Seinem Propheten gesagt: „Nimm die Verzeihung und fordere auf zum Gewohnheitsrecht (solange es nicht dem islamischen Recht widerspricht) und wende dich ab von den Unwissenden“[7:199]. Und dieser Mann hier (, er meinte seinen Onkel,) gehört zu den Unwissenden“. Bei Allah, als er ihm diesen Koranvers rezitierte, übertrat Umar auch nicht ein wenig die Anweisung dieses Koranverses. Und Umar war so, dass er Halt machte bei den Anweisungen des Buches Allahs“.
(Buchari 4642)

2. Sich selbst vor der Strafe Allahs Angst machen, indem man sich bewusst macht, dass Allah mehr Macht über einen selbst hat, als man selbst über denjenigen Menschen, über den man gerade zornig ist. Man sagt sich nun:
„Wenn ich nun meinen Zorn an diesem Menschen ausübe, bin ich nicht sicher vor dem Zorn Allahs am Jüngsten Tag. Und ich habe doch die Vergebung Allahs dringend nötig“.

3. Sich vorstellen, wie schlimm man aussieht, wenn man seinem Zorn freien Lauf lässt und dass dies ganz und gar nicht dem Verhalten der Propheten und Rechtschaffenen entspricht

Die Vorzüglichkeit, seine Wut zu unterdrücken

عَنْ سَهْلِ بْنِ مُعَاذٍ عَنْ أَبِيهِ
أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ قَالَ مَنْ كَظَمَ غَيْظًا وَهُوَ قَادِرٌ عَلَى أَنْ يُنْفِذَهُ دَعَاهُ اللَّهُ عَزَّ وَجَلَّ عَلَى رُءُوسِ الْخَلَائِقِ يَوْمَ الْقِيَامَةِ حَتَّى يُخَيِّرَهُ اللَّهُ مِنْ الْحُورِ الْعِينِ مَا شَاءَ
Muadh berichtete, dass der Gesandte Allahs (s.a.s.) sagte: „Wer seine Wut unterdrückt, obwohl es ihm möglich ist, seiner Wut freien Lauf zu lassen, den ruft Allah vor allen Geschöpfen am Tag der Auferstehung auf und stellt ihm frei, von den Paradiesjungfrauen so viele zu bekommen, wie er will“.

(Abu Dawud 4777/Tirmidhi 2021/sahih)

Die Sanftmut und das Vergeben
Allah lobt diejenigen, die genau dann vergeben, wenn sie zornig sind:

..und diejenigen, die dann vergeben, wenn sie zornig sind..
[42:37]


Quelle: تزكية – Tazkija / Charakterreinigung – Wie man ein guter Mensch wird
Diese Buch basiert zumeist auf dem klassischen Werk Mukhtasar Minhādsch al-Qāsidīn von Ibn Qudama al-Maqdisi (651-689 n. H.).
Dieses ist eine Kurzfassung des Werkes Minhādsch al-Qāsidīn (Der Weg der Strebenden) von Ibn al-Dschauzi (510-594 n. H.), welches widerum eine Redigierung des Werks إحياء علوم الدين / Ihja’ Ulum ad-Din (Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften) von Abu Hamid al-Ghazali (450-505 n. H.) ist.