Die Wege des Teufels zum Herzen des Menschen

BISMILLAH-IR-RAHMAN-IR-RAHIM


Ibn Qudama sagt:

Wisse, dass das Herz in seiner natürlichen Veranlagung auf Willkür ansprechbar ist, weil Allah in den Menschen das Begehren (arab. schahwa) gesetzt hat.
Der Kampf gegen die Einflüsterungen des Teufels ist ein immerwährender Kampf, solange der Mensch auf der Erde lebt. So beschreibt Allah den Teufel in der letzten Sure:

vor dem Übel des Einflüsterers, der entweicht und wiederkehrt , [114:4]
der den Menschen in die Brust einflüstert , [114:5]

D. h. wenn der Mensch wachsam ist und Allahs gedenkt, dann entweicht der Teufel und macht sich klein. Wenn jemand jedoch unachtsam ist, Allah vergisst und seinen Verstand durch bestimmte Handlungen wie Zürnen usw. selbst außer Kraft setzt, dann ist das Herz offen für die Einflüsterungen, d. h. Verführungsversuche, des Teufels.

Folgende Handlungen bzw. Charakterzustände, denen allen gemeinsam ist, dass die Wachsamkeit bzgl. der Beachtung der islamischen Regeln vernebelt bzw. teilweise oder ganz ausgeschaltet wird, sind einige Türen, durch die der Teufel kommt:

1. Missgunst, d. h. dass man sich darüber ärgert, dass ein anderer etwas Gutes von Allah bekommen hat.

2. Das energische Streben nach irdischen Gütern (arab. الحِرْص). Für jemanden ist es die Hauptsache, an irdische Güter zu kommen, so dass es sekundär wird, ob sie auf erlaubtem oder verbotenem Wege zu demjenigen kommen.

3. Die Liebe zum Geld und zu materiellem Besitz. Dies verdirbt das Herz und macht den Betreffenden Menschen geizig.

4. Er hat große Angst seinen Besitz zu verlieren, und so unterlässt er es, seinen finanziellen Pflichten, die er vor Allah hat, nachzukommen.

5. Das Unbeherrschtsein und Zürnen. Dies schaltet den Verstand aus und lässt einen agressive, schlechte Handlungen begehen, die man niemals tun würde, würde man nicht seinem Zorn freien Lauf lassen.

6. Übertriebene Liebe dazu, sich schön zu kleiden und das eigene Heim schön einzurichten. Solche Menschen benutzen ihre meiste Energie auf diese Dinge, die sie nicht näher zu Allah bringen. Somit verschwenden sie ihre wertvolle Lebenszeit und vernachlässigen ihre Pflichten vor Allah.

7. Das Übersättigen beim Essen. Denn dies erweckt die geschlechtliche Lust, gegen die solch jemand nun ankämpfen muss oder die ihn übermannt und zu Sünde führt.

8. Dass man sich Hoffnungen auf Geld oder Güter von anderen Menschen macht. Dies führt dazu, dass man eine solche Person übermäßig lobt und versucht, sich so bei der Betreffenden Person einzuschmeicheln. Wenn diese Person etwas Schlechtes tut, unterlässt man es, ihr das Schlechte zu verbieten und man unterlässt es, diese Person zum Guten aufzurufen, um sie nicht zu verärgern.

9. Das überhastete Handeln und das Unterlassen, die Dinge zunächst ruhig zu überprüfen. Anas berichtet, dass der Prophet (s.a.s.) gesagt hat:
„Das bedachte Handeln ist von Allah und das Hasten ist vom Teufel.“
(Abu Ja’la und Baihaqi / Sahih)

10. Die Muslime verdächtigen, etwas Schlechtes getan zu haben. Denn wer über einen Muslim entsprechend eines solchen Verdachts urteilt, der schätzt diesen gering und lässt seiner Zunge im schlechten Reden über ihn freien Lauf. Das Verdächtigen kommt jedoch vom schlechten Charakter desjenigen, der einen Verdacht hegt. Ein guter Mu’min versucht, Entschuldigungen für seinen Bruder im Islam für ein bestimmtes Verhalten zu suchen. Ein Heuchler hingegen sucht nach den Schwächen der Menschen. Als Muslim hat man jedoch darauf zu achten, dass man sich nicht in eine Situation begibt, wo jemand schlecht über einen denken könnte, weil man ihn dann dazu verführt, einen Verdacht gegenüber einem Muslim zu hegen und sich damit zu versündigen.

Dies sind einige der Wege, wie der Teufel zum Herzen des Menschen findet. Die Heilung dieser Krankheiten besteht darin, die erwähnten Dinge zu unterlassen. Im nächsten Kapitel wird, so Gott will, ausführlich auf diese Charakterschwächen eingegangen.
Wenn das Herz im Grundsatz Abstand von diesen schlechten Charaktereigenschaften nimmt, dann bleibt dem Teufel nur noch, kurzzeitig dem Menschen schlechte Gedanken einzuflüstern, wobei dies jedoch keinen Bestand hat. Diese schlechten Gedanken des Teufels kann der Mensch durch das Gedenken an Allah und das Aufbauen von Gottesfurcht im Herzen vertreiben.

Ibn Qudama sagt sinngemäß:
„Mit dem Teufel und dem Herz verhält es sich so, wie es sich mit einem hungrigen Hund verhält, der dich bedrängt, ihm zu Fressen zu geben. Hast du kein Futter für ihn in der Hand, dann genügt es, ihn durch energische Worte abzuweisen. Hast du aber Futter für ihn in der Hand, dann kannst du ihn auch nicht durch energische Worte dazu bringen, von dir Abstand zu nehmen. Genauso genügt es, durch bloßes Gedenken an Allah die schlechten Gedanken des Teufels zu vertreiben, wenn im Herzen keine Nahrung für den Teufel da ist, d. h. keine schlechten Charaktereigenschaften. Sind sie aber im Herzen, so genügt es nicht, einfach Allahs zu gedenken, um die Gedanken, die der Teufel einem eingibt, zu vertreiben.
Wenn du den Beweis für diese Aussage haben willst, dann denk mal darüber nach, wie es in deinem rituellen Gebet ist. Denk mal darüber nach, wie der Teufel während deines rituellen Gebetes dir alle möglichen Dinge einflüstert. Er lässt dich an alltägliche Dinge des irdischen Lebens denken und wird eben nicht einfach dadurch vertrieben, dass du Allahs gedenkst…“
.

Und somit besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Ehrfurcht und der Konzentration beim rituellen Gebet und dem eigenen charakterlichen Zustand.

(Der gesamte Text basiert auf Ibn Qudama in Mukhtasar Minhādsch al-Qāsidīn)

Quelle: تزكية – Tazkija / Charakterreinigung – Wie man ein guter Mensch wird
Diese Buch basiert zumeist auf dem klassischen Werk Mukhtasar Minhādsch al-Qāsidīn von Ibn Qudama al-Maqdisi (651-689 n. H.).
Dieses ist eine Kurzfassung des Werkes Minhādsch al-Qāsidīn (Der Weg der Strebenden) von Ibn al-Dschauzi (510-594 n. H.), welches widerum eine Redigierung des Werks إحياء علوم الدين / Ihja’ Ulum ad-Din (Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften) von Abu Hamid al-Ghazali (450-505 n. H.) ist.