Fortsetzung des 1. Teils dieser Reihe.
Sodann …
Die Vertreter der entgegengesetzten Ansicht aber argumentieren folgendermaßen:
Wenn der Kalam deswegen verpönt sein soll, weil darin die Worte wie Substanz und Akzidens vorkommen, also fremdartige technische Ausdrücke, welche die Gefährten nicht kannten, so ist die Antwort sehr naheliegend. Gibt es ja keine Wissenschaft, in der nicht zum Zwecke der Verständigung gewisse Termini neu geschaffen werden müssten.; so ist es in der Traditionskunde, in der Schrifterklärung, in der Rechtswissenschaft der Fall. Und wenn den Alten ein Ausdruck unterkäme wie nahkd, kasr tarkib, fasad al-wad, so würden sie auch diese nicht verstehen.
Mit der Prägung eines neuen Ausdruckes zur Bezeichnung eines richtigen Begriffes ist es genau so wie mit der Verfertigung von Gefässen ungewohnter Form zu einem erlaubten Zweck. Wenn man aber an dem Sinn der neuen Ausdrücke Anstoss nimmt, so entgegnen wir, dass wir darunter nichts anderes verstehen als die demonstrative Erkenntnis der zeitlichen Entstehung der Welt, der Einheit des Schöpfers und seiner Eigenschaft , wie es in der Offenbarung enthalten ist.
Warum soll aber die Erkenntnis Allahs durch den Beweis verboten sein ? Wenn schliesslich der Kalam deswegen unerlaubt sein soll, weil er zu Gezanke und Schulfanatismus, Hass und Feindschaft führt, so sind diese Dinge allerdings verboten und man muss sich davor in acht nehmen. So ist es aber mit der Überhebung , der Unwahrhaftigkeit und dem Strebertum, wozu die Wissenschaft der Tradition, der Schrifterklärung und des Rechts führt. Auch diese sind Sünde, und man muss sich davor hüten; aber deswegen ist nicht gleich die Wissenschaft verboten, weil er zu solchen Ausschreitungen führt. Wie kann auch die Anführung eines Beweises oder die Forderung und das Suchen eines solchen verpönt sein, da doch Allah der Allerhöchste selbst sagt:
„Her mit eurem Beweise !“
(Sure 2,105; 21,24; 27,65; 28,75)
ferner:
„Wer umkommt, soll leben durch einen klaren Beweis !“
(Sure 8,44)
[Im Original folgen noch einige andere Belege aus dem Koran]
Kurz und gut, der Koran al karim ist von Anfang bis zu Ende eine Argumentation gegen die Ungläubigen, und der Hauptbeweis der Theologen für den Monotheismus ist der Ausspruch Allahs:
„Wären im Himmel und auf Erden mehrere Götter ausser Allah, sie müssten zugrunde gehen“
(Sure 21,22)
, und für die göttliche Sendung des Propheten:
„Wenn ihr im Zweifel seid über das, was ich meinem Diener geoffenbart, so bringt doch eine ähnliche Sure zustande“
(Sure 2,21; 10,39)
, und für die Auferstehung :
„Sprich ! der wird sie wiedererwecken, der sie zum erstenmal geschaffen“
(Sure 16,126)
Auch die Gefährten gebrauchten dieses Mittel, wenn es Not tat; das war freilich zu ihrer Zeit wenig der Fall. Das erste Beispiel, die Irrlehrer durch Gegengründe wieder auf den rechten Weg zu bringen, gab Ali (Allahs Wohlgefallen mit ihm) , als er den Ibn Abbas (Allahs Wohlgefallen mit ihm) Harijiden sandte. Der redete mit ihnen und sprach: „Was habt ihr gegen euren Imam ?“ „Sie antworteten: „Er hat gekämpft, aber weder Gefangene noch Beute gemacht.“ „Das ist gegen Kampf mit dem Ungläubigen üblich“, entgegnete er, „oder meint ihr , wenn die selige Áischa (Allahs Wohlgefallen mit ihr) in der Kamelschlacht gefangen genommen und einem von euch zugefallen wäre, hättet ihr ihr gegenüber euch dasselbe erlaubt wie mit eurem Eigentum, da sie doch nach dem Koran (siehe Sure 33,6 : „Seine (des Propheten) Frauen sind eure Mütter.“) eure Mutter ist ?“ Sie antworteten „Nein“. Und so kehrten auf seine Argumentierung hin zwei Tausend von ihnen zum Gehorsam zurück.
Auch von Hasan al Basri wird berichtet, dass er mit einem Kadariten disputierte, so dass dieser von seinem Irrtum abliess. Desgleichen von Ali (Allahs Wohlgefallen mit ihm). Ferner diskutierte Abdallah ibn Masud (gest. 32) mit Jazd ibn Amira über den den Glauben. Abdallah meinte: „Wenn ich sage , ich bin ein Gläubiger, so sage ich damit , ich gehöre zu den Auserwählten.“ Da antwortete Jazid : „Nein, Gefährter des Propheten, das ist ein Irrtum von dir. Ist der Glaube etwas anderes, als dass du glaubst an Allah, seine Engel, seine Bücher, seine gesandten, die Auferstehung und die Waage und dass du betest, fastest und Almosen gibst ? Nun haben wir aber auch Sünden. Erst wenn wir wüssten, dass diese uns vergeben sind, wüssten wir, dass wir zu den Auserwählten gehören. Deshalb sprechen wir: Wir sind Gläubige, aber nicht :Wir gehören zu den Auserwählten.“ Da sagte Ibn Masud: „Bei Allah, du hast recht, das war ein Irrtum von mir.“
Nun muss freilich gesagt werden, dass sie sich nur wenig damit abgaben, nicht viel, auch geschah es nur kurz, nicht weitläufig, und nur wo es Not tat, nicht so, dass sie in Schrift und Unterweisung diese Methode befolgt und sie zu einer besonderen Kunst ausgebildet hätten.